Hypoxischer Hirnschaden - was ist das?

In diesem Blogeintrag erkläre ich es Ihnen!

Liebe Pflegefachkräfte,

viele von Ihnen haben schon mal den Begriff hypoxischer Hirnschaden gehört oder vielleicht schon einen Klienten mit diesem Krankheitsbild versorgt. Heute möchte ich Ihnen das Krankheitsbild etwas näherbringen.

Definition des Krankheitsbildes

Der hypoxische Hirnschaden oder auch hypoxisch-ischämische Enzephalopathie genannt, kurz HIE, bezeichnet eine Hirnschädigung, die durch eine unzureichende Versorgung des Hirngewebes mit Sauerstoff (Hypoxie) bzw. Blut (Ischämie) ausgelöst wird. Ursächlich ist meistens ein Kreislaufstillstand. Ein hypoxischer Hirnschaden ist durch neurologische Symptome gekennzeichnet, insbesondere Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma.

Verbreitung der HIE

Die Häufigkeit eines hypoxischen Hirnschadens im Erwachsenenalter liegt bei ca. 5 bis 9/100.000 Personen.

Wie man an den Zahlen schon sieht, werden Kinder in der Statistik nicht berücksichtigt.

Ursachen einer HIE

Die Ursachen die zu einem hypoxischen Hirnschaden können vielfältig sein. Als erstes muss natürlich der Hirnschaden nach Reanimation genannt werden.

Weitere Ursachen können sein:

  • Unfälle mit hohem Blutverlust

  • Vergiftungen

  • Status asthmaticus*, der nicht durchbrochen werden kann

  • Suizidversuche (besonders durch Strangulationen) oder hohem Blutverlust

  • Ertrinkungsunfälle, besonders bei Kindern

  • Schlaganfälle

  • Verschluss der Carotiden (Hauptschlagader am Hals)

  • Hirnschädigungen des Kindes vor, während oder nach der Geburt

  • Blutvergiftung (Sepsis)

Man könnte noch mehr aufzählen, ich denke aber, es zeigt ausführlich genug, wie schnell ein Hirnschaden entstehen kann. Aber wieso ist das so?

Pathophysiologie einer HIE

Dazu schauen wir uns an, was im Gehirn passiert und was diese Hypoxie (Sauerstoffmangel) auslöst.

Zum Beispiel bei einem Kreislaufstillstand kommt es durch den verringerten Blutfluss zu einer globalen zerebralen Ischämie (einen großen Anteil des Gehirns betreffenden Durchblutungsstörung). Dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt im Hirn drastisch. Dies führt zu einem Hirnödem, was wiederum zu zusätzlichen Schäden durch den Druck im Gehirn führt. Dieses Hirnödem entwickelt sich innerhalb von wenigen Stunden, was oft zeitnah zu der Diagnose hypoxischer Hirnschaden führt. Ab einer Ischämiedauer von ungefähr drei Minuten tritt ein Nervenzelluntergang ein.

Man sieht schon an diesem Beispiel, dass ein irreversibler Schaden sehr schnell eintritt, weshalb bei einer Hypoxie, egal welchen Ursprungs, schnell gehandelt werden muss.

Im Rahmen einer primären zerebralen Hypoxie ist der zerebrale Blutfluss vorerst erhalten und reduziert sich sekundär. Bei einer Kohlenmonoxidvergiftung ist die reduzierte Sauerstofftransportfähigkeit, bei einem Status asthmaticus die mangelnde Oxygenierung des Blutes ursächlich für die zerebrale Hypoxie.

Symptome der HIE

Der klinische Verlauf gestaltet sich unterschiedlich und ist abhängig von der Ausprägung des Schadens bzw. Dauer der Hypoxie.  Mögliche neurologische Symptome eines Hirnschadens bei Erwachsenen sind beispielsweise:

  • Veränderung des Bewusstseinszustandes**

  • Fehlende motorische Reaktionen auf Schmerzreize

  • Fehlende Pupillenreaktionen

  • Myoklonien 

  • Epileptische Anfälle

  • Status epilepticus***

Diagnostik eines HIE

Die Diagnostik eines hypoxischen Hirnschadens beim Erwachsenen erfolgt durch ein Team aus mehreren Fachärzten, bestehend aus Internisten, Anästhesisten bzw. Notfallmedizinern und Neurologen.

Je nach vermuteter Ursache des Hirnschadens sind unterschiedliche diagnostische Verfahren indiziert z.B.:

  • Diagnostik des Herzens nach Reanimation (Echo, Herzkatheter-untersuchung etc.)

  • CT-Untersuchung von Schädel und Thorax (z.B. zum Ausschluss einer Lungenembolie, Schlaganfall oder Hirnblutung)

Nach etwa 72 bis 96 Stunden sollte die Prognose durch einen Neurologen eingeschätzt werden. Bestandteile der neurologischen Untersuchung sind beispielsweise:

  •  Klinische neurologische Untersuchung

    • Bewertung des Bewusstseinszustandes

    • Korneal-Reflex

    • Pupillenreaktion

    • Motorische Reaktion auf Schmerzreize

  • Bestimmung der NSE-Konzentration im Serum (korreliert mit Ausmaß des Schadens). Vereinfacht ausgedrückt sagt dieser Laborwert aus, wie viele Nervenzellen untergegangen sind. Je höher der Wert, desto schlechter die Prognose. Dieser Wert muss aber immer im Zusammenhang mit der Klinik des Patienten gesehen werden.

  • EEG

  • Somatosensorisch evozierte Potentiale (Messungen der elektrischen Aktivität schnell leitender sensibler Nervenfasern)

Die Therapie richtet sich grundsätzlich nach der Ursache.

Generell besteht die Aufgabe darin, den Kreislauf stabil zu halten und die Ventilation und die Sauerstoffversorgung zu optimieren, um Folgeschäden zu vermeiden oder zumindest abzufedern.

Prognose einer HIE

Ein hypoxischer Hirnschaden im Erwachsenenalter kann zu verschiedenen Langzeitfolgen führen, abhängig von der Dauer des Sauerstoffmangels.

Patienten, die eine milde Form aufweisen, erwachen meist rasch aus dem Koma und sind auch funktionell nur wenig eingeschränkt.

Jedoch zeigen sich bei bis zu 50% der Patienten kognitive Defizite wie Einschränkungen des Gedächtnisses oder Störungen der Aufmerksamkeit.

Patienten mit einer schweren Form haben eine deutlich schlechtere Prognose. So ist zwar ein Wiedererlangen des Bewusstseins auch noch nach Monaten möglich, eine Unabhängigkeit der betroffenen Patienten im Alltag wird jedoch meistens nicht erreicht.

Dann kommen wir ins Spiel, um solche Klienten mit schweren Defiziten in der Häuslichkeit zu versorgen.

Abhängig von der Ausprägung des Schadens müssen unterschiedliche Probleme behandelt werden.

Generell muss man sagen, dass Klienten mit einem hypoxischen Hirnschaden oft pulmonal gesund sind, so dass die Belüftung der Lunge erstmal kein Problem darstellt. Außer es sind dementsprechende Vorerkrankungen bekannt.

Auf was wir in der Außerklinischen achten müssen:

  • Es ist wichtig, hygienisch adäquat zu arbeiten, um Infektionen (besonders beim endotrachealen Absaugen) zu vermeiden.

  • Wichtig ist auch ein adäquates Sekretmanagement.

  • Hat der Klient Schluckstörungen, ist auf eine adäquate Blockung der Trachealkanüle zu achten, um Aspirationen zu vermeiden.

  • Oberkörperhochlagerung – auch im Liegen!!!

  • Abhören der Lunge!!!!!!!

  • Für mich ist es absolut wichtig, immer wieder den neurologischen Status zu erheben.

  • Auch nach Monaten können sich Folgeschäden ausbilden. Deswegen immer wieder Pupillenkontrolle.

Ich werde das so lange in meinen Blogs erwähnen, bis es zu den Ohren rauskommt.

Anbei noch einige Praxistipps aus meiner langjährigen Erfahrung in der Versorgung der Betroffenen:

Ich hatte den Fall, dass ich in einer Versorgung gewesen bin und mir sofort ein Nystagmus (bezeichnet die unkontrollierbaren, rhythmischen Bewegungen eines Organs, üblicherweise der Augen) bei dem Klienten aufgefallen ist. Die Mitarbeiterin vor Ort konnte mir aber nicht sagen, wie lange der Klient den Nystagmus schon hat und dass er ihn anscheinend nicht dauerhaft hat.

Sowas muss dokumentiert werden. Sobald sich was an der Neurologie eines Klienten ändert, muss der Arzt informiert werden.

Da solche Klienten generell von Physio- und Ergotherapeuten betreut werden, ist eine körperliche neurologische Einschätzung sehr einfach. Holen sie sich das Feedback des Therapeuten, ob sich hier etwas geändert hat:

  • Bewegung der Extremitäten

  • Muskeltonus

  • Abwehrspannung etc.

Kontrakturenprophylaxe ist das A und O bei der Versorgung solcher Klienten.

Manche Klienten entwickeln nach Monaten epileptische Anfälle. Auch das muss dokumentiert werden. Der behandelnde Arzt muss auch umgehend informiert werden. Sind epileptische Anfälle schon bekannt, auch diese dokumentieren und bei Verschlimmerung den Arzt informieren und Medikamente anpassen lassen.

Manche Epilepsiemedikamente machen den Klienten sehr müde, so dass man wenig mit ihm machen kann (mobilisieren, kommunizieren etc.). Auch da gerne beim Arzt nachhaken, ob es Alternativen gibt oder das Medikament reduziert werden kann.

Da bei solchen Klienten die adäquate Sauerstoffversorgung im Vordergrund steht, sollten niedrige Sauerstoffsättigungen unter 90% nicht dauerhaft toleriert werden. Halten Sie auch hier eine Rücksprache mit dem Arzt. Zum Beispiel ist in diesem Fall eine Sauerstofftherapie anstrebenswert.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen etwas Neues erzählen und freue mich schon auf den nächsten Blog.

Gerne können Sie auch ein Kennenlerngespräch mit mir ausmachen, wenn Sie ein Angehörige/r eines außerklinischen Intensivpatienten sind oder gar selbst Betroffener. Gerne komme ich zu einem unverbindlichen Beratungsgespräch zu Ihnen nach Hause und bespreche Ihre Situation vor Ort mit Ihnen.

Auch Pflegefachkräfte lade ich ganz herzlich ein, sich mit mir über die Möglichkeiten in der außerklinischen Intensivpflege auszutauschen.

Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen und ich konnte ein paar Fragen zum Thema klären. Wenn Sie mehr von CP und der außerklinischen Intensivpflege sehen und erfahren möchten, schauen Sie doch mal auf Social Media vorbei. Das würde mich sehr freuen. Genauso freue ich mich über einen Kommentar oder ein Like zu diesem Blogbeitrag.

Bis zum nächsten Blogeintrag!

Servus

IHR

Carsten Lehle

*(besonders schweren Asthmaanfall, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und sich nicht durch die Verabreichung der üblichen Therapiemaßnahmen beheben lässt)
**(Koma, Syndrom reaktionsloser Wachheit, Syndrom des minimalen Bewusstseins, kurz SMB, beschreibt eine neurologische Bewusstseinsstörung nach Hirnschädigung)
***Dauert ein epileptischer Anfall außergewöhnlich lange oder tritt eine Serie von Anfällen auf, zwischen denen sich der Patient nicht vollständig erholt, spricht man von einem status epilepticus.
CP Intensivpflege GmbH - Geschäftsführer Carsten Lehle

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17.04.24

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