Diagnose Querschnittlähmung

Wie versorgt man einen Klienten mit einer Querschnittlähmung?


Was ist eine Querschnittlähmung?

Unter einer Querschnittlähmung oder Querschnittslähmung* wird ein aus einer Schädigung des Rückenmarkquerschnittes** resultierendes Lähmungsbild mit Ausfall motorischer, sensibler oder vegetativer Funktionen verstanden.

Welche Folgen hat die Schädigung am Rückenmark noch?

Eine Schädigung des Rückenmarks kann zu einem Verlust der aktiven Steuerung von Muskeln und Muskelgruppen führen, die von Nerven gesteuert werden, die durch die verletzte Stelle des Rückenmarks verlaufen. Je nach Lage der Schädigung können dabei Muskeln der Arme, die Atemhilfsmuskulatur, die Muskulatur des Bauches und des Rückens sowie die Muskeln der Beine betroffen sein. Je nach Ausprägung der Lähmung kann der motorische Funktionsverlust bis zur vollständigen Bewegungsunfähigkeit der betroffenen Extremitäten (Arme, Beine) reichen.

Klassifikation der Querschnittlähmungen

Querschnittlähmungen werden nach der Höhe (bezüglich der Lokalisation des Schadens im Rückenmark) und ihrer Ausprägung beschrieben. Zur Höhenlokalisation nutzt man die Einteilung des Rückenmarks in Segmente, die sich an den Segmenten der Wirbelsäule und den jeweiligen Nervenaustrittspunkten der sogenannten Spinalnerven orientieren. An der Halswirbelsäule sind dies acht neurologische Segmente, an der Brustwirbelsäule zwölf, an der Lendenwirbelsäule fünf und im Bereich des Kreuzbeins vier. Für die Beschreibung der Querschnittlähmung wird dabei das letzte vollständig intakte Rückenmarkssegment angegeben.

Faktencheck in Deutschland

In Deutschland sind jährlich etwa 1800 Menschen neu von einer Querschnittlähmung betroffen, etwa 60 % davon sind Männer.

Man unterscheidet:

Angeborene Querschnittlähmung

Eine angeborene Querschnittlähmung ist die Myelomeningozele (Spina bifida). Umgangssprachlich auch als “offener Rücken” bekannt.

Nicht-traumatische Ursachen

In etwa 50 % aller Querschnittlähmungen liegt kein Unfall, sondern eine Erkrankung zugrunde:

Diese Aussage finde ich besonders spannend (!)

Der jeweilige Anteil der Schädigungsarten an der Gesamtpopulation der Querschnittgelähmten hat sich in den letzten 30 Jahren erheblich verschoben. Früher dominierten mit fast 80 Prozent Traumafolgen. Heute haben immer mehr akut auftretende Querschnittlähmungen eine Erkrankung zur Ursache.

Diagnose: Durch neurologische Untersuchungen und bildgebende Verfahren.

Hier geht es auch darum die richtige Lokalisation (Höhe des Querschnitts) zu erkennen, um dem Patienten eine adäquate Therapie zukommen zu lassen.

Dann unterscheidet man noch den kompletten Querschnitt vom inkompletten Querschnitt:

Kompletter Querschnitt: Bei einem kompletten Querschnitt sind an der betroffenen Stelle des Rückenmarks alle Nerven beschädigt. Es entsteht eine komplette Lähmung der betroffenen Gliedmaßen, zum Beispiel der Beine. Ärzte sprechen dann von einer Plegie. Der Ausdruck Paraplegie beschreibt eine Lähmung beider Beine. Bei einer Tetraplegie sind Arme und Beine betroffen. Der Rückenmarksschaden findet sich dann im Halsbereich (hohe Querschnittlähmung). Je nach Ort der Schädigung kann auch die Atemmuskulatur betroffen sein.

Inkompletter Querschnitt: Ist nur ein Teil der Nervenfasern geschädigt, kann eine inkomplette, also eine teilweise Lähmung auftreten. Sie heißt Parese. Sind beide Beine betroffen, sprechen Ärzte von Paraparese. Sind zusätzlich die Arme beteiligt, lautet der Fachausdruck Tetraparese. Eine inkompletter Querschnitt zeigt sich unterschiedlich: Manchmal besteht trotz einer spürbaren Lähmung noch eine Restbeweglichkeit.

Welche Therapie wird in der Akutphase angewendet?

Welche Therapie in der Akutphase am sinnvollsten ist, richtet sich immer nach der Ursache und wird von den behandelten Ärzten entschieden. Das kann eine intensivmedizinische Betreuung mit Beatmung sein oder eine OP, um eine Entlastung des Rückenmarks zu erreichen.

So, genug Theorie, kommen wir zur Praxis.

Wir versorgen zur Zeit einen Klienten mit einem inkompletten hohen Querschnitt.

Hoher Querschnitt bedeutet,  das die Läsionshöhe sich im Bereich der Halswirbelsäule oberhalb C4 befindet. Das Problem bei einem hohen Querschnitt ist, dass oft die Atmung mitbetroffen ist. Abhängig von der Höhe kann dies sogar zu einer Beatmungspflichtigkeit führen (C1-C2).

Welche Probleme treten bei solchen Klienten auf?

Oft gibt es eine Mobilitätseinschränkung, wie bei unserem Klienten. Deswegen wird unser Klient regelmäßig mit dem Lifter in den Rollstuhl transferiert. Das fördert die Belüftung der Lunge und natürlich das Wohlbefinden.

Auf was ist zu achten?

Da Klienten mit Querschnitt oft Sensibilitätsprobleme haben, muss man darauf achten, dass der Klient nicht zu lange auf der gleichen Stelle sitzt oder liegt.

Was ist besonders wichtig?

Querschnittpatienten neigen zu Dekubiti!!! Auch aufgrund der schlechteren Durchblutung in manchen Gebieten. Deswegen ist auch äußerst wichtig, dass der Rollstuhl adäquat an die Bedürfnisse des Klienten angepasst ist.

Wie wird der Klient ernährt?

Unser Klient hat ausgeprägte Schluckstörungen, weshalb dieser über eine PEG Sonde ernährt wird. Auf ausreichende Kalorienzufuhr ist zu achten, besonders auf Eiweiß bei beginnenden Hautschäden.

Ein Tipp bei geblockten Trachealkanülen:

Bei Klienten mit geblockten Trachealkanülen ist immer auf ausreichende Blockung zu achten, um stille Aspirationen zu vermeiden.

Was ist bei einem Zwerchfellhochstand zu beachten?

Unser Klient hat einen Zwerchfellhochstand durch den Querschnitt, was dazu führt, dass er phasenweise beatmet werden muss. Durch den Hochstand wird die Lunge in ihrer Funktion eingeschränkt und CO2 kann schwerer abgeatmet werden. Durch den Gegendruck der Beatmung wird das Zwerchfell nach unten gedrückt und die Lunge kann sich entfalten. CO2 kann besser abgeatmet werden. Wir können dies mit einer Kapnografie (CO2-Messung) überprüfen.

Wie auch schon im letzten Blog erwähnt, ersetzt nichts das Abhören der Lunge des Klienten!

Sekretmanagement – was ist hierbei zu beachten?

Aufgrund der Lungenproblematik ist ein adäquates Sekretmanagement nötig, um frühzeitige Komplikationen (Lungenentzündungen) zu vermeiden. Wenn nötig, endotracheal absaugen und, wie schon erwähnt, dokumentieren.

Welche weiteren Probleme können auftreten?

Blasenfunktionsstörungen: Abhängig von der Ausprägung muss der Klient einen Blasenkatheter erhalten. Hier besteht die Aufgabe darin, Infektionen  durch hygienisches Arbeiten zu vermeiden. Sie können die Farbe des Urins beschreiben und dokumentieren, um frühzeitige Infektionen zu erkennen.

Was belastet gerade junge Klienten?

Was gerade bei jungen Klienten zu Frustrationen und Depressionen führen kann, ist, wenn die Sexualfunktion eingeschränkt ist. Besonders dann, wenn eine Partnerschaft besteht. Hier muss frühzeitig psychologisch eingegriffen werden, notfalls auch medikamentös.

Was ich absolut wichtig finde: Wenn die Sexualfunktion noch besteht, gerade in einer Partnerschaft, sollte man den Partnern den Freiraum geben, um diese Sexualität auch auszuleben. Wie das in der Praxis umgesetzt werden kann, muss man offen mit den Betroffenen kommunizieren.

Dies ist in der Häuslichkeit natürlich deutlich leichter umzusetzen als in einer anderen Wohnform.

Ein weiteres Problem:

Eine Darmfunktionsstörung tritt bei Querschnittlähmung fast immer auf und bedeutet, dass die Stuhlausscheidung erschwert, der Drang zur Ausscheidung nicht wahrnehmbar, sowie die Peristaltik des Darms eingeschränkt ist. Unser Klient muss regelmäßig mit Unterstützung von Medikamenten abgeführt werden.

Bei unserem Klienten würde eine Verstopfung zu einer Verschlimmerung des Zwerchfellhochstandes führen und die Beatmung beeinträchtigen!

Störung des Kreislaufregulationssystems

Kreislaufregulationsstörungen treten bei Querschnittlähmung vor allem ab einer Lähmungshöhe von Th6 auf. Es kommt zu einer ausgeprägten Gefäßweitstellung. Auch unser Klient hat damit zu kämpfen. Zur Unterstützung erhält unser Klient ein blutdruckförderndes Mittel, besonders vor einer Mobilisation.

Die Fähigkeit des menschlichen Körpers sich an die Außentemperatur anzupassen und sich selbst auf ca. 37 C° zu halten, ist bei einer Querschnittlähmung aufgrund der vorliegenden Störung der autonomen Funktionen der Wärmeproduktion und Wärmeabgabe eingeschränkt.

Deswegen regelmäßig die Temperatur messen!

Temperaturen unter 36 C° sind keine Seltenheit. Niedrige Temperaturen bedeuten aber auch, dass das Immunsystem besonders anfällig für Infektionen ist. Alle unsere Körperfunktionen laufen bei 37 C ° am optimalsten. Also sollten rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Manche Querschnittpatienten klagen über Spastiken, besonders in den Beinen.

Eine Spastik entsteht, wenn durch die Rückenmarksverletzung die Funktion des Zentralen Nervensystems eingeschränkt ist. Es kommt zu einer unkontrollierbaren Eigenaktivität der Muskeln in den von der Lähmung betroffenen Gliedmaßen. Bei starker Ausprägung können diese unwillkürlichen Muskelspasmen den Alltag erheblich erschweren; unbehandelt können Spastiken zu Kontrakturen führen. Diese können durch relaxierende Medikamente oder therapeutische Maßnahmen gemildert werden.

Auch wenn noch keine Spastiken oder Kontrakturen vorhanden sind, ist eine physiotherapeutische und ergotherapeutische Versorgung wichtig, um Verbesserung zu erzielen oder zumindest den Istzustand beizubehalten.

Als letztes möchte ich noch die chronisch neuropathischen Schmerzen anführen:

Chronisch neuropathische Schmerzen sind keine garantierte, aber eine häufige Folge von Rückenmarksverletzungen, die aufgrund ihrer Intensität und Unberechenbarkeit von Betroffenen als besonders belastend empfunden werden. Da sie – im Vergleich zu akuten Schmerzen – ohne erkennbaren Grund existieren, ist es schwer, ihnen zu begegnen. Zur Verfügung stehen medikamentöse, nicht medikamentöse und chirurgisch-invasive Maßnahmen zur Behandlung der Schmerzen und zur Erleichterung des Leidensdrucks für Betroffene.

Unser Klient ist trotz seines Querschnitts sehr unternehmungslustig. Er fährt regelmäßig mit seiner Ehefrau und in Begleitung meiner Mitarbeiter zu Sehenswürdigkeiten oder Seen in der Region.

Trotz dieser Erkrankung ist es möglich, die Lebensqualität zu verbessern.

Das ist auch der Anspruch der CP Intensivpflege GmbH, den Alltag so normal wie möglich mit unseren Klienten und deren Angehörigen zu gestalten.

Gerne können Sie auch ein Kennenlerngespräch mit mir ausmachen, wenn Sie ein Angehörige/r eines außerklinischen Intensivpatienten sind oder gar selbst Betroffener. Gerne komme ich zu einem unverbindlichen Beratungsgespräch zu Ihnen nach Hause und bespreche Ihre Situation vor Ort mit Ihnen.

Auch Pflegefachkräfte lade ich ganz herzlich ein, sich mit mir über die Möglichkeiten in der außerklinischen Intensivpflege auszutauschen.

Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen und es hat ein paar Fragen zu “Klienten mit hohem Querschnitt” geklärt. Wenn Sie mehr von CP und der außerklinischen Intensivpflege sehen und erfahren möchten, schauen Sie doch mal auf Social Media vorbei. Das würde mich sehr freuen. Genauso freue ich mich über einen Kommentar oder ein Like zu diesem Blogbeitrag.

Bis zum nächsten Blogeintrag!

Servus

IHR

Carsten Lehle

*(auch Paraplegiespinales Querschnittsyndrom)

**(Querschnittsläsion oder Querschnittläsion)


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CP Intensivpflege GmbH – Geschäftsführer Carsten Lehle

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